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Kahnrudern 2023

Paul Schnabel • 29. September 2023

An einem kühlen Samstagvormittag stehen wir gesellig beisammen, wir starken Jungs vom EWSK, im Hafen von Wellingdorf. Unsere Frauen haben uns verlassen – vorerst! Wir warten. Anspannung, Sportsgeist und ein Hauch von Triumpf liegen in der Luft. Unsere Muskeln vibrieren im Angesicht dessen, was vor uns liegt. Wir prüfen kritisch die Kähne, die beiden schwarzen Kähne des EWSK. Fest vertäut an der rostigen Spundwand sind sie bereit. Sind wir es auch? Unser Blick schweift übers Wasser, bleibt am wehenden Stander des EWSK kleben. Wird es gelingen?


Schon morgens um 10 Uhr lacht uns die Sonne an und verspricht einen wunderbaren Tag. Imbisszelt und Bierwagen sind aufgebaut, Tische und Stühle stehen bereit. Während hinter dem Tresen schon geschäftiges Treiben herrscht, trudeln nach und nach immer mehr Leute ein. Was für ein Auflauf! Insgesamt 10 Teams treten an, Frauen und Männer, aus Vereinen und Firmen, Azubis, Sportler, Seebären… eine bunte Mischung. Alle freuen sich, die Stimmung ist ausgelassen. Wie könnte es auch anders sein, denn statt öden Aufwärmübungen wie damals zu Schulzeiten gibt’s hier stattdessen was Saftiges vom Grill und was Kühles von der Theke!


Und da – als könnte der Morgen nicht noch schöner werden – läuft die Trachtengruppe des EWSK in voller Pracht ein. Unsere Frauen sind zurück, was für ein Anblick! Auch zwei Segelbrüder sind in Tracht dabei. Viele andere Segelbrüder haben ihre Fischerhemden gesucht, gefunden und gebügelt, sodass alle zusammen recht ansehnlich aussehen.
Nun denn! Gemäß der Tradition, und nach einer Ansprache unseres 1. Vorsitzenden Martin Kulling, gebührt die erste Fahrt in den Kähnen der Trachtengruppe. Dieses erste „Rennen“ ist eher zum Warmwerden gedacht, ebenso wie der obligatorische Zaubertrank unbekannter Herkunft, der an der Regatta-Wendemarke in den beiden Kähnen kredenzt wird. Einigen in den Booten kribbelt es jedoch in den Fingern nach einem echten Rennen, und so sind alle eingeladen in den nun folgenden Matchraces teilzunehmen.

Denn genau diese Matchraces sind der Kern der heutigen Veranstaltung: Zwei Teams treten gegeneinander in den beiden traditionellen Fischerkähnen an. Dass diese gepaddelt werden wie ein Kanu stört uns dabei gar nicht, wir nennen es trotzdem „Kahnrudern“.



Die (wahre) Legende besagt, dass früher die Ellerbeker Fischerfrauen den frischen Fang ihrer Männer in den Holzkähnen vom Kieler Ostufer zum Westufer geschippert haben. Wer dabei als erstes drüben war, konnte die besten Preise erzielen. Somit war der Sportsgeist geweckt – wobei früher sicherlich mit härteren Bandagen als heute gekämpft wurde. Was wir heute als „Kahnrudern“ zelebrieren, erinnert an diese alte Ellerbeker Tradition – macht aber deutlich mehr Laune als damals!


Genug der schnöden Theorie, jetzt geht’s ans Eingemachte! Die ersten beiden Teams machen sich bereit, die Kähne werden bemannt. Paddel in die Hand, das Startsignal ertönt und schon geht es auch schon los. Man zerrt an den Paddeln, die schweren Kähne schießen vorwärts. Ehe man sich versieht, sind sie außer Sicht. Die Wendemarke liegt um die Ecke, und so vergehen die Sekunden, in denen wir warten wer als erstes wieder auftauchen wird. Das Gejubel ist groß als es soweit ist. Schon schießt der erste Kahn über die Ziellinie. Geschafft!


Was laut Stoppuhr in etwa 5 Minuten vorbei ist, fühlt sich an Bord an wie eine halbe Ewigkeit. Die Muskeln brennen, der Scheiß läuft einem in die Augen und vernebelt die Sicht, Gegenwind kommt auf – von dem antreibenden Gebrüll des Steuermanns ganz zu schweigen! Doch die Ziellinie belohnt alles. Gröhlend wird man in Empfang genommen, zittrig steigt man über die rostige Spundwand wieder an Land. Jetzt was Kühles aus dem Bierwagen! Die Stimmung bebt, denn gleich steigen schon die nächsten Teams in die Kähne.



So geht es Schlag auf Schlag, Kahn um Kahn fährt über die Ziellinie. Dass dabei nicht alles nach Plan läuft, gehört einfach dazu: Kähne schießen quer, werden gerammt, schlingern, drohen zu kentern, fahren (fast) im Kreis… Kurzum, der ein oder andere Kratzer lässt sich nicht vermeiden. Doch was macht das schon!? Bei den Fischern früher war auch nicht alles auf Hochglanz poliert. Hauptsache, alle haben eine gute Zeit und genießen den Tag.


Kurze Zeit später meldet das Imbisszelt, dass nun alles bis auf die letzte Frikadelle und das letzte Stück Kuchen aufgegessen sei. Wahnsinn, mit der großen Menge an Besuchern hatte dieses Jahr niemand gerechnet. Wow! Wir freuen uns und nehmen’s sportlich: Nächstes Jahr wird es mehr zu Essen geben! Apropo Imbisszelt und Bierwagen. Die gesamte Infrastruktur des Events wird von Vereinsmitgliedern ehrenamtlich organisiert und gewuppt. Das ist nicht selbstverständlich, und verdient ein herzliches Dankeschön!


Bei der Siegerehrung zeigt sich, dass der Kelch leider, leider mal wieder am EWSK vorbei geht. Wir haben gut durchgezogen, wir waren sehr schnell. Doch das hilft alles nichts, wenn man vom Kurs abkommt… Naja, dann eben nächstes Jahr!


Kaum ist das Treppchen bestiegen und alle Gewinner benannt, geht es auch schon weiter im Programm. Seit Neuestem geht es nämlich bei unserem Kahnruder-Event nicht mehr nur noch ums Rudern, sondern auch ums Segeln. Kahn-Segeln also. Wieder als Match-Race, treten jeweils zwei Teams à drei Personen gegeneinander an. 6 Teams finden sich zusammen. Die Kähne werden mit zwei freistehenden Steckmasten samt Sprietsegeln bestückt. Warum nur drei an Bord? Ganz einfach, es sind drei Positionen zu bedienen: das Vorsegel, das Großsegel und das Steuer. Der Wind könnte zwar etwas beständiger sein, doch die Kahn-Crews juckt das herzlich wenig und es wird endlich das gemacht, wofür wir alle in unserem Verein sind. Segeln! Mit den Kähnen ist das wirklich nicht schwer, sie segeln erstaunlich gut und sind simpel in der Bedienung. Die Segel-Matchraces dauern naturgemäß etwas länger als das Kahnrudern. Längerer Kurs, mäßiger Wind, weniger Schweiß. Doch es ist wunderschön. Währenddessen schaut man vom Ufer aus entspannt zu, genießt die Sonne und den Wind.


Nach und nach verteilt sich die Menge in den späten Nachmittag. Der Tresen wird leerer, die Bierbänke lichten sich, die Sonne fällt auf immer weniger braungebrannte Nacken. Mit zufriedenen Gesichtern dümpelt man nach Hause, mit einem Gefühl der Vorfreude auf den nächsten Sommer.


Denn da wird es wieder stattfinden, am 31.08.2024, unser Event, das Kahnrudern des EWSK!


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